Nichts ist gut!
Geistliches Wort – Schwäbische Zeitung
Erntedank 2019
Regional, fair und bio. Ich merke, wie ich beim Einkaufen genauer hinschaue. Wo kommen unsere Lebensmittel her? Wie werden sie produziert? Dem gehen Christen seit 1700 Jahren auf den Grund. So alt ist das Erntedankfest. Trotz des Fortschritts seit der Antike, ist die Grundlage des Erntedank-Feierns geblieben: Unser Überleben hängt davon ab, ob die Bedingungen für Ackerbau und Viehzucht gut sind. Für diese guten Bedingungen bitten und danken wir an Erntedank. Das haben übrigens die drei großen Weltreligionen gemeinsam. Wir leben nicht nur aus uns selbst. Unsere Lebensgrundlage ist auch ein Geschenk. Das feiern Juden am Laubhüttenfest – sie danken Gott für Nahrung und Land. Das feiern Muslime im Ramadan, wenn sie verzichten und sich bewusstmachen, dass nicht alles zu jeder Zeit selbstverständlich ist. Allen gemeinsam ist der Blick für das, was wir selbst herstellen können und für das, was geschenkt ist – von unserem Schöpfer.
Das erste Buch der Bibel beschreibt, wie die Welt durch Gott wurde. „Alles ist gut“ lesen wir da. Einige Kapitel später werden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, mit Kain und Abel kommt der Hass in die Welt. Das sind keine Tatsachenberichte. Aber sie gehen der Frage auf den Grund, warum die Welt so ist, wie sie ist. Es ist nicht alles gut. Unsere Welt ist gefährdet. Die Zerstörung von Lebensgrundlagen ist nur in ihrer Extremform ein Kind der Moderne. Ob Gletscherschmelze oder Meeresspiegel. Wir sind Teil dieser Veränderungen. Und: Wir sind in dieses Unheil verwickelt, ohne Unrecht getan zu haben (Theodor Adorno). Ich lese in diesem Satz auch meine eigene Hilflosigkeit. Wir sind verwickelt. Wir leben unter Bedingungen, die wir nicht selbst machen, die aber unserer Welt schaden. Wie sind wir verstrickt – von Plastik bis Massentierhaltung? Was können wir tun?
Eine Antwort können wir von kleinen Kindern lernen. Von Kindern lernen heißt „Staunen lernen“. Über Blume und Baum, Tomate und Apfel. Wer staunt, nimmt nicht alles als selbstverständlich. Wer staunt, sieht die Kraft, die hinter allem Lebendigen wirkt – hinter Mensch, Tier und Pflanze. Das ist nur ein Anfang. Aber daraus kommt das Bewusstsein für Veränderung: Nichts ist gut, wenn sich Menschen als Herrscher von Wasser, Luft und Erde aufspielen. Wir sollen über diese Welt staunen und sie behüten. Darin sind sich Bibel, Koran und Tora einig.
Benjamin Sigg, Pastoralreferent
Ostern for future
Geistliches Wort – Schwäbische Zeitung
Ostern 2019
Ein Mädchen bewegt Europa. Und sie wird gehört. Was Greta Thunberg sagt, kommt nicht nur bei den „Fridays for future“-Klimademos an. Der Papst erwähnt sie, die Bundeskanzlerin spricht darüber. Es bewegt mich, was hier in Bewegung kommt. Vor allem bewegt mich, dass die Verantwortungsträger kräftig loben und doch selbst viel versäumt haben. Das gilt fürs Klima, und ebenso fürs andere „K“: Kirche.
Denn vieles versäumt haben auch die Mächtigen in der Kirche. Manch einer kann sich eine Zukunft für diese Kirche nicht vorstellen. Ich könnte es mir auch nicht. Wenn, ja wenn Kirche nur das wäre: Versäumnis, Macht und Missbrauch. Ist sie aber nicht und darf sie nicht sein. Wir feiern Ostern. Wir denken dabei auch an das, was in den letzten Wochen zum Himmel schreit in unserer Welt und in unserer Kirche. Und hoffentlich wird dann spürbar, was Kirche ist: Eine Hoffnungsgemeinschaft, gegen das Leiden auf dieser Welt, auf der Seite der Opfer.
Dieses „Hoffnungsklima“ brauchen Menschen doch. Eine Gesellschaft hält nicht nur das atmosphärische Klima am Leben. Unsere Gesellschaft braucht auch Antworten auf diese Fragen: Was gibt Sinn? Was gibt Hoffnung in dieser Welt?
Darüber mach ich mir Sorgen, auch für das Wohl meiner Kinder. Weil die Antworten weniger und leiser werden. Ich möchte meinen Kindern erzählen von der christlichen Frohbotschaft, die Menschen glücklich und frei macht. Ich wünsche mir, dass sie diese Botschaft feiern und eine lebendige Glaubenspraxis erleben können – nicht im Privaten, sondern im öffentlichen Raum. Ich wünsch mir ein „Hoffnungsklima“ für meine und unsere Kinder und ich glaube, dass es seine Wurzeln in Ostern hat.
Ostern erzählt unserer Welt von Leben und Licht, vom „Hoffnungsklima“. Das „demonstrieren“ Christen jeden Sonntag. Kirche heißt ihre Bewegung. „Sundays for future“ könnte man aktuell formulieren. Sonntags, und besonders am Ostersonntag, wird ein „Klima“ gefeiert und gepredigt, das jeder Mensch zum Leben braucht. Unsere Kinder brauchen es, wie die Luft zum Atmen.
Benjamin Sigg, Pastoralreferent
Wo willst du hin?
Heute? Auf jeden Fall noch kurz zum Einkaufen. Später lecker Essen bei Freunden, Feuerwerk gucken und ein bisschen feiern. Das Alte abschliessen und Neues erwarten.
Im Leben? Das lasse ich gerade auf mich zukommen. Was ich wichtig finde, hat sich in den letzten Jahren geändert. Vor allem, seit die Kinder da sind. Meine guten Vorsätze für 2019 heißen deswegen: neugierig sein und die Kinder möglichst gut auf unsere komplexe Welt vorbereiten.
Meine Kirchengemeinde feiert 2019 ihr 500jähriges Jubiläum. Deswegen hat sie sich auch gefragt, wohin sie will um dem Wandel auf der Spur zu bleiben. Martin folgen, war die Antwort. Die Frage, wem man folgen soll, stellte sich auch Papst Silvester vor 1694 Jahren. Damals auf dem Konzil von Nicäa. Nur zeigte sich dann dort, dass die Frage nach dem wem oder wohin nicht hilfreich war. Die richtige Frage für den Fortbestand der Christen lautete: Was glaubst du? Und heraus kam unser „Großes Glaubensbekenntnis“.Statt guter Vorsätze ein Glaubensbekenntnis? Ich habs versucht. Für uns beide. Gott und mich und für diesen Moment:
Ich glaube, dass Gott die Welt erschaffen hat - und es wieder tun würde.
Ich glaube an die Macht des Lächelns,
daran, dass viel mehr Gutes geschieht, wenn man dem Anderen die beste Absicht unterstellt.
Ich glaube an Jesus und ich glaube an den Verstand. Ich glaube dass wir es mit beiden schaffen können, übers Wasser zu gehen.
Und ich glaube an die Liebe. Obwohl sie so sehr weh tun kann, dass man daran zerbricht.
Ich glaube, dass große Menschen weiter sehen und kleine auf einen Berg steigen können.
Ich glaube an die Macht des Augenblicks, und dass Gott es ist, der uns für diesen Moment verwandelt.