Kinder fragen. Leutekirche antwortet.

Hier sammeln wir die Kinderfragen aus unserer Leutekirche.  

 

Wo sind die Toten zu Hause?

Tränen. Die sehe ich oft, wenn ich bei Beerdigungen bin. Und weil es mein Beruf ist, Menschen zu beerdigen und ihre Familien zu begleiten, sehe ich fast jede Woche Tränen. Das tut mir weh – weil ich dann spüre, wie traurig diese Menschen sind, weil zum Beispiel die Oma oder der Opa gestorben ist. Wenn jemand tot ist, kann ich diese Menschen nicht mehr anschauen, dann machen sie nicht mehr die Haustüre auf oder haben keine Gummibärchen dabei. Sie sind einfach nicht mehr da! Wo sind die Toten zu Hause? Unsere Kindergartenkinder haben das gefragt und ihre eigenen Bilder dazu gemalt. Mir fällt auf, wie bunt diese Bilder sind. Mal ist eine Sonne oder ein Regenbogen drauf – ein Kind hat einen Spielplatz im Himmel gemalt. Diese Bilder sind genial! Wo sind die Toten? Schlaue Menschen haben darüber Bücher geschrieben. Aber ich werde nicht schlau draus. Die beste Antwort finde ich bei Kindern – oder in der Bibel. Auch die Bibel „malt“ Bilder. Ein Bild erzählt von Gottes großer Hand, eine Hand, die sanft ist, die festhält und auffängt. So wie die tollen Hände von Mama und Papa, wenn sie ein Kind trösten und ihm über die Haare streichen. In der Hand Gottes steht jeder Name, den es auf dieser Welt gibt. Und Gott verspricht: „Ich vergesse Dich nicht. Ich habe Deinen Namen in meine Hand geschrieben.“Ich weiß, dass diese Bilder keine Tränen trocknen. Aber es ist doch tröstlich, wenn wir wissen: Kein Mensch wird vergessen! Deshalb schreiben wir die Namen von Verstorbenen auf den Grabstein, wir stellen Bilder auf und erzählen Geschichten. Mit der Zeit werden diese Erinnerungen weniger, manchmal gibt es auch nie-manden mehr, der sich erinnert. Dann kommt Gott ins Spiel, der keinen Menschen vergisst. Wo wohnen also die Toten? Nicht im Sarg oder in der dunklen Erde, sondern dort, wo ihr Name weiterklingt. Das muss eine wunderschöne Musik sein: Das Lied vom Leben – bei Gott.

Pastoralreferent Benjamin Sigg

Was ist im Weihwasser drin?

In jeder Kirche gibt es am Eingang Weihwasser. Ich tauche meinen Finger hinein, wenn ich in die Kirche komm und mach ein Kreuz. Dabei tippe ich meine Stirn an, den Bauch, die linke und an die rechte Schulter. Unser Mesner bereitet das Wasser vor, dann wird es von unserem Pfarrer geweiht. Der Mesner hat mir erzählt, dass im Weihwasser Wasser und Salz drin ist. Salz, damit es länger haltbar ist. Aber warum heißt es Weihwasser? Was ist Heiliges drin?

Zuerst möchte ich mit Dir überlegen, was Wasser ist. Hast Du ein Haustier? Dann weißt Du, dass es immer frisches Wasser zum Trinken braucht. Auch bei uns Menschen ist das so. Wir müssen jeden Tag trinken. Und über die Hälfte unseres Körpers besteht aus Wasser. Ohne Wasser können wir nicht leben. In vielen Religionen ist Wasser deshalb ein wichtiges Zeichen. Es steht für etwas, was wir nicht sehen können: für Leben. Und Leben ist etwas Heiliges. Wenn ich das Weihwasser nehme, dann denke ich daran, dass ich leben darf und dass dieses Leben ein Geschenk Gottes ist.

Das Weihwasser hat noch eine zweite Aufgabe. Erinnerst Du Dich, wann Du das letzte Mal gebadet hast? „Jetzt bist du wieder sauber“, sag ich zu meinen Kindern nach dem Baden. Das stimmt: Haare sind gewaschen, das Gesicht, der Bauch. Wenn ich in der Kirche das Weihwasser nehme, dann gilt das Gleiche. Ich bin wieder „sauber“. Natürlich wasche ich nicht meinen Körper damit. Aber ich wasche das ab, was mich traurig macht oder was mir nicht gut tut. Das Weihwasser soll mich reinigen und mit Gott verbinden. Das, was mich von ihm trennt, wird abgewaschen. Dann kann ich wieder glänzen.

„Glanz“ ist ein schönes Wort. Nach dem Baden und frisch eingecremt glänzt die Haut. Nach dem Kreuzzeichen mit Weihwasser leuchtet etwas vom Glanz Gottes in jedem von uns. Das ist auch der Grund, warum Kinder mit Wasser getauft werden. Ihr neues Leben soll leuchten und von Gott gesegnet sein.

Benjamin Sigg, Pastoralreferent

500 Jahre St. Martin: Wieso, weshalb, warum feiern wir den Geburtstag unserer Kirche?

Wir feiern Geburtstag. Einen richtig großen Geburtstag. 500 Jahre wird unsere Kirche alt. Wenn ich mir das vorstelle, was vor 500 Jahren war, dann kommt mir ein Wort in den Sinn: Wow! Wie haben unsere Vorfahren das geschafft? Es gab keine Lastwagen, die die Steine bringen konnten. Es gab keine Betonmischer und keine Bagger. Trotzdem haben sie die alte Kirche abgerissen und eine neue, viel größere Kirche gebaut. Viele haben da sicher geholfen. Die einen haben was zu Essen gebracht, die anderen Steine geschleppt. Künstler haben die Kirche schön gemacht. Lange ist das her.
Wenn wir überlegen, warum wir heute feiern, dann müssen wir darüber nachdenken, warum die Menschen vor 500 Jahren diese Kirche gebaut haben. Eine Kirche ist ja ein Haus für Gott. Der Wunsch, dass Gott ein Haus bekommt, muss also vor 500 Jahren sehr groß gewesen sein. Nur wieso, weshalb und warum?

Ich hab mir diese Antwort überlegt: Menschen wollen Gott begegnen. Aber das ist richtig schwer. Wie soll ich ihm begegnen, wenn ich ihn nicht sehen kann? Deshalb braucht es einen Raum, der so besonders ist, dass ich etwas von Gott spüren kann. Dieser Raum muss ganz anders sein, als die Räume und Häuser, in denen wir sonst leben. Bei dir zu Hause gibt es eine Küche und Schlafzimmer, es gibt ein Bad, Sofa, Fernseher, Computer und viel mehr. Das gibt es alles in der Kirche nicht. Eine Kirche ist viel zu groß, um darin leben zu können. Zum Essen fehlen Tische, zum Kochen ein Herd. Es gibt kein WLAN und keine Computer. Zum Wohnen ist die Kirche vollkommen zwecklos. Dafür hat sie keinen Nutzen!
Genau deshalb steht sie da! In ihr soll ich nicht wohnen, in ihr soll’s still sein. Hier soll ich meine Ohren aufsperren für die Stimme in mir oder für Gottes Stimme. Hier sollen Menschen spüren, wie nah Gott ihnen ist. Deshalb gibt viele wichtige Orte. Das Taufbecken zum Beispiel. Hier feiern wir, dass Gott jedes Kind ins Leben begleitet. Oder der Altar. Sonntags stehen hier Wein und Brot, und wir feiern, dass Gott Wein und Brot und uns verwandelt. Das ist geheimnisvoll. Aber ist das nicht auch unser Leben? Und brauchen wir nicht auch Auszeiten, wo wir das Geheimnisvolle an uns ranlassen?

Draußen im Alltag habe ich oft keine Zeit dafür und keine Gelegenheit und manchmal auch keine Lust, über Gott und die Welt nachzudenken. In der Kirche ist das anders. Hier spüre ich, dass dieses Haus voll ist von den vielen guten Gedanken und Gebeten, die Menschen hierher mitgebracht haben. Hier darf jeder reinkommen. Das gibt es doch sonst nicht in unserer Stadt: ein Raum, der den ganzen Tag auf ist und wo jeder hin kann! Wenn ich Kinder durch unsere Kirche führe, dann überlegen wir gemeinsam, welche Menschen hierherkommen. Die Antworten: fröhliche und traurige Menschen. Menschen, die Danke sagen wollen. Menschen, die allein sind oder die eine Kerze anzünden oder die einen Fehler gemacht haben. In 500 Jahren waren das Millionen von Menschen!
Ich hab gefragt, warum die St. Martinskirche gebaut wurde. Die kurze Antwort: Weil sie total zweckfrei ist, aber auch unglaublich sinnvoll. Viele waren schon hier. Komm doch mal vorbei!

Pastoralreferent Benjamin Sigg

Zaubert der Pfarrer am Altar? Oder: Was passiert mit Brot und Wein?

Psst. Das ist ein Geheimnis. Das sagen Eltern oft, wenn sie etwas nicht erklären können oder wollen. Bei dieser Kinderfrage ist das anders. Es ist ein Geheimnis, was bei der Messe am Altar passiert. Und es ist ganz schön schwer, darüber zu schreiben. Es gibt schlaue Frauen und Männer, die ganze Bücher darüber geschrieben haben. Die kann man alle lesen, aber letztlich bleibt am Schluss, was es am Anfang schon war: Es ist ein Geheimnis. Der Pfarrer spricht davon in den Gebeten: Jesus kommt im Brot uns Menschen ganz nah, er ist da. Unsichtbar, nicht greifbar. Das Brot bleibt Brot und doch ist es nach der Wandlung was anderes. Gott ist darin bei uns.

Verwirrt Dich das? Mich schon. Wie soll das denn funktionieren? Ich möchte Dir von dem Lied erzählen, dass dieses Jahr an der Erstkommunion gesungen wird. Das Lied heißt „Wir decken den Tisch, wir richten das Mahl“. Was wir am Altar feiern, ist ein Abendessen, ein Gastmahl. Der Altar ist der Tisch dafür. Alles ist ganz feierlich, mit schönen Gewändern und goldenen Gefäßen. Es erinnert an das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, kurz bevor er gestorben ist. Damals hat er das Brot unter sie aufgeteilt und Wein herumgereicht. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, hat er gesagt. Daran haben sich die Jünger nach seinem Tod erinnert. Sie haben dieses besondere Mahl gefeiert und gespürt, dass Jesus bei ihnen ist. Das gilt bis heute. Jedes Mal, wenn der Altar gedeckt wird, denken wir daran. Die ersten Christen haben sich an das gemeinsame Mahl mit Jesus erinnert, als sie seine Auferstehung gefeiert haben. Im Lied heißt diese Strophe: „Wir bringen das Licht, das ein Zeichen uns ist, dass er auferstand, unser Herr Jesus Christ.“ Jesus war stärker als der Tod, er lebt. Nicht so, dass wir ihn sehen können. Aber er ist bei uns. Das ist eben das Geheimnisvolle. Er ist da, zum Beispiel im Brot „will der Herr bei uns sein“. So enden gleich drei Strophen des Liedes.

Das Fest und das Mahl, das deshalb gefeiert wird, ist ein Dankfest. Danke dafür, dass Gott Jesus und uns ein neues Leben schenken will. Deshalb heißt diese Feier Eucharistie, das ist griechisch und bedeutet Danksagung. Ist das ein Zauberkunststück, dass Jesus im Brot bei uns ist? Nein. Beim Zaubern gibt es einen Trick, mit dem uns jemand reinlegt. Bei der Mahlfeier in der Kirche gibt es ein großes Geheimnis, in das Jesus uns Schritt für Schritt einführt.

Das Geheimnis ist noch viel größer als die anderen Wunder, die wir erleben und nicht erklären können. Dass sich zum Beispiel zwei Menschen lieben. Warum gerade diese zwei? Oder dass Du auf dieser Welt bist und was Du alles kannst. Viele kleine Wunder. Auf dieser Welt können wir ihn nicht anschauen wie die anderen Menschen. Im verwandelten Brot sehen wir ihn mit anderen Augen. Deshalb sind wir ganz leise, wir machen eine Kniebeuge, wir beten. Vielleicht: Herr, lass mich werden, was ich empfange. Das würde heißen: Wenn ich den Leib Christi in mich aufnehme, will ich immer mehr Leib Christi werden. O je, da wird es immer geheimnisvoller. Wir können es nicht erklären. Und dennoch verändert es Menschen. Die, die das verwandelte Brot essen, bekommen nämlich einen Auftrag. Wie Jesus sollen sie sich für die Liebe einsetzen, damit Lüge und Hass und Gewalt nicht gewinnen können. Jesus werden – das ist das tiefste Geheimnis unseres Glaubens. Keine Angst: Mehr kommt dann nicht mehr!

Pastoralreferent Benjamin Sigg